Kardinal George Pell gehörte zu den engsten Vertrauten des Papstes. Jetzt wurde der 76-Jährige von einem seiner Ämter freigestellt. Es geht um Vorwürfe der Belästigung und Vergewaltigung.

In Rom läuteten seit dem frühen Donnerstagmorgen die Glocken aller Kirchen besonders lange und laut, denn am 29. Juni feiern die Römer Sankt Peter und Paul, ihre Stadtpatronen. Unter der Peterskuppel schlug zu dieser Zeit aber auch die Stunde für Kardinal George Pell, Finanzminister im Vatikan und damit einer der mächtigsten Männer der römischen Kurie.

Um 8.30 Uhr betrat der ranghohe Kardinal, bisher Inbegriff der Macht im Kirchenstaat, mit gebeugtem Rücken und schweren, zögerlichen Schritten den Pressesaal im Vatikan und kündigte vor den herbeigeeilten Journalisten an, dass er vorläufig sein Amt niederlegen wird. Pell will in die australische Heimat reisen, um sich dort gegen Vorwürfe sexuellen Missbrauchs zu verteidigen.

Es geht um Belästigung und Vergewaltigung. Niemals in der Geschichte Tausender Missbrauchsfälle hatte es derart schwere Anschuldigungen gegen einen so ranghohen Kirchenmann wie Pell gegeben. Die Vorwürfe, die die Polizei des australischen Bundesstaates Victoria erhebt, reichen weit in die Vergangenheit des heute 76 Jahre alten Kardinals zurück.

Textausschnitt oben und Screenshot: Die Welt, Constanze Reuscher, Beitrag vom 30.06.2017

Den kompletten Beitrag der Tageszeitung Die Welt lesen Sie hier.

 

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Top-Manager der Papst-Organisation verdächtigt wird, an Verbrechen gegen Kinder und Jugendliche beteiligt gewesen zu sein. „Wir sind Papst“ Ratzinger musste von seinem Amt zurücktreten, nachdem bekannt wurde, dass sein Bruder an den Missbrauchs- und Misshandlungsfällen bei den „Regensburger Domspatzen“ direkt beteiligt war. Auch der ehemalige Papst soll zu seiner Zeit in Regensburg eine fragliche Rolle gespielt haben. Den Betroffenen in Regensburg wurde nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine Zahlung in Höhe des vierfachen des sonst üblichen „Anerkennungsbetrages“ angeboten.

Dass jetzt überhaupt gegen einen Kirchen-Boss ermittelt werden kann, ist den deutlich moderneren Gesetzen in anderen Ländern zu verdanken. Während in Deutschland mittelalterliche Gesetze die Ermittlungen und sogar Schadenersatzklagen verhindern, ist in anderen Ländern eine Verjährung solcher Verbrechen ausgeschlossen oder zumindest erheblich verzögert.

Organisationen wie die IG Heimkinder setzen sich für eine Aufhebung der Verjährungsfristen für alle Missbrauchstatbestände ein. Aktuell hat die Politik jedoch ein scheinbar großes Interesse daran, die Täter von damals sowie die organisatorisch Verantwortlichen zu schützen. Mehrere Organisationen beabsichtigen, die Vereinbarkeit der Regelungen in Deutschland mit EU-Recht prüfen zu lassen. Befeuert wird dieses Projekt durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Das Gericht hatte einer Geschädigten Schadenersatz zugesprochen, trotzdem in ihrem Heimatland Verjährung eingetreten war. Wenn dieses Urteil Einfluss auf die Rechtsprechung in Deutschland nehmen sollte, würde auf die Verantwortlichen wohl einiger Ärger zukommen.

 

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