In der Musterklage gegen den Betreiber des sauerländischen Kinderheimes „Marienfrieden“, dem „Sozialdienst katholischer Frauen“ SkF e.V. zeichnet sich eine Entwicklung ab, die der IG Heimkinder von allen Verhandlungen mit Organisationen bekannt ist, die der katholischen Kirche nahestehen. Das Credo dort lautet offenbar noch immer, niemals Verantwortung zu übernehmen, Opfer unglaubwürdig zu machen und bloß nichts zu bezahlen.

Im aktuellen Fall hat eines der zahllosen Opfer des Kinderheimes „Marienfrieden“ mit Unterstützung der IG eine Musterklage beim zuständigen Landgericht angestrengt. Wegen der hohen Verfahrenskosten wurde die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. In einem solchen Fall prüft das Gericht vor der Entscheidung über ein solches Darlehn zunächst die Erfolgsaussichten des Verfahrens. Dazu wird auch die Beklagte – in diesem Fall die Heimbetreiberin (SkF) – gehört.

Diese Stellungnahme ist uns nun zugegangen. Darin lässt der kirchennahe Verein keinen Zweifel daran, dass ihm die Schicksale hunderter gequälter Kinder ziemlich am heiligen Bimbam vorbeigehen. Die „katholischen Frauen“ lassen eine Dortmunder Anwaltskanzlei erklären, dass man keinerlei Kenntnis von den Vorwürfen gegenüber dem damaligen pädophilen Heimleiter gehabt habe. Deshalb sei auch der Vorwurf, durch Unterlassung die Taten mitverschuldet zu haben gegenstandslos. Auch stelle man den Umfang des Missbrauches – hier mehr als 100 Taten – in Abrede. Dies lässt der Verein erklären, obwohl er weiß, dass allein der IG zahllose Zeugenaussagen vorliegen, die das Gegenteil beweisen.

Im Klartext bedeutet das, dass wenn ein Prozess überhaupt zustande kommt, müssten viele Zeugen befragt werden. Zeugen, die oft selbst betroffen sind und schwer traumatisiert sind. Denen eine öffentliche Aufarbeitung ihres Leids zuzumuten, führt in Strafverfahren zu satten Strafzuschlägen. Hier geht es jedoch um eine zivilrechtliche Forderung – und die hat noch eine weitere Hürde zu überwinden: Die Verjährung.

Auch in diesem Fall liegen die Taten schon viele Jahre zurück. Da die Politik sich bis heute weigert, die Verjährungsfristen für die zurückliegenden Fälle zu verlängern, scheitern die meisten Klagen inzwischen an der Verjährung. Um wegen Verjährung bei Gericht abzublitzen, ist es zwingend erforderlich, dass der Beklagte sich auf Verjährung beruft. Und nun raten Sie mal, was die „katholischen Frauen“ ganz unheilig beantragen… genau.

Das Gericht müsste nun, wenn es die Auffassung teilt, dass die Ansprüche verjährt sind, die Klage ohne Prüfung des eigentlichen Schadenersatzanspruches abweisen. Der Heimbetreiber wäre dann ziemlich mühelos um eine Entschädigung der Opfer herumgekommen.

 

IG spricht von handfestem Skandal

„Ein echter Skandal“, findet der Sprecher der IG Heimkinder. „Wir haben nicht erwartet, dass sich dieser Verein traut, mit so einer Verachtung Menschen gegenüber zu treten. Menschen, die Opfer schlimmster Verbrechen geworden sind, weil die Verantwortlichen in dem Verein geschlafen haben – oder nichts wissen wollten.“ Dann auch noch die Taten selbst in Frage zu stellen, sei besonders verwerflich, da durch eine gerichtliche Beweisaufnahme die Opfer alles Erlebte erneut durchleben müssten. Diese perverse Art der Prozessführung sei aber typisch für kirchennahe Organisationen. „Wir haben in vielen Verhandlungen mit der Kirche den Eindruck gewonnen, dass man darauf spekuliere, dass die Opfer aus Angst, das Erlebte noch einmal vor einem Gericht erzählen zu müssen, lieber auf eine Klage verzichten.“

Man sei im Fall des Vereins SkF davon ausgegangen, dass sich die Verantwortlichen um eine großzügige außergerichtliche Einigung bemühen. Schließlich betreibt der Verein noch heute zahlreiche Heime und Jugendhilfeeinrichtungen. Wenn man zeitgleich demonstriere, wie wenig dem Verein die Übernahme von Verantwortung bedeutet, dürfe man erhebliche Zweifel an der Eignung des Vereins als Träger solcher Einrichtungen haben.

 

Wie es weiter geht

Das gerichtliche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Das Gericht wird in den nächsten Tagen wohl über den Antrag entscheiden. Eine Abweisung könnte vom Kläger noch vom Oberlandesgericht überprüft werden. Dies wolle man aber erst nach sorgfältiger Prüfung der Entscheidungsgründe des Gerichts in Betracht ziehen, hieß es vom Kläger.

„Wir hoffen, dass der Verein die kommenden Tage nutzt, um den vielen Betroffenen ein angemessenes Angebot zu machen.“ Ohne ein solches Entgegenkommen, verbunden mit einem schlüssigen Konzept zur Verhinderung solcher Verbrechen in der Zukunft dürfte es keine Zukunft für den Verein als Träger von Jugendhilfeeinrichtungen geben.

 

Symbolfoto / Archiv

 

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